Weibliche Unparteiische auf dem Vormarsch

Weibliche Unparteiische auf dem Vormarsch

Gute Nachrichten nehmen nicht immer die gleichen Wege – und sie ereilen ihre Adressaten zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten. Im Falle von Schiedsrichterin Katharina Gerhard war es mitten am Tag, als bei einem Aufenthalt in den Niederlanden das Handy piepste und sie per Kurznachricht von ihrem Karrieresprung erfuhr: dem Aufstieg in die Zweite Frauen-Bundesliga. Bei Laura Duske hingegen klingelte am späten Abend daheim das Telefon. Am anderen Ende der Leitung war ihre Spielansetzerin, die ihr mitteilte, dass sie künftig in der 1. Frauen-Bundesliga Partien leiten darf. Und Hannah Riederer war noch gar nicht richtig wach, als ihr am Rande des Länderpokals in Duisburg um 7 Uhr früh erzählt wurde, dass sie von nun an in der 2. Frauen-Bundesliga als Assistentin und in der B-Juniorinnen-Bundesliga als Unparteiische eingesetzt wird. 

So unterschiedlich die Wege waren, die drei jungen Frauen haben eines gemeinsam: Sie zählen zu den weiblichen Aufsteigern des Jahres. Und auch ihre Reaktion auf die positive Nachricht eint das Trio. Momente der Sprachlosigkeit wurden von Euphorie, Glückseligkeit und schließlich dem Drang abgelöst, den bedeutendsten Menschen im Umfeld von der frohen Kunde zu erzählen. „Ich habe erstmal meinen Vater angerufen. Es war zwar schon spät, aber ich dachte mir, das muss jetzt sein“, erinnert sich Duske.

Dass sie ausgerechnet diese Nummer wählte, war kein Zufall. Denn ihr Vater ist wichtigster Kritiker und zugleich wichtigster Ratgeber. „Er hat fast alle Spiele gesehen, die ich gepfiffen habe“, sagt Duske. „Er spricht alles ohne Umschweife an und wir gehen gemeinsam tief ins Detail.“ Dieser intensive Austausch sorge für Fortschritt und mache sie besser, betont die Opladenerin. Und genau das entspricht ihren Zielen: besser werden, vorankommen und in höheren Ligen Spiele leiten. Dass sie einmal dieser Ehrgeiz packen   würde und sie derart leidenschaftlich als Unparteiische tätig sein würde, hätte sie sich vor ein paar Jahren noch nicht vorstellen können. Zwar ist sie in einer sportbegeisterten Familie aufgewachsen, mit einem Vater, der lange Zeit Trainer im Nachwuchsbereich war, doch Duskes Augenmerk galt zunächst der eigenen Spielerkarriere. Und das mit Erfolg. Mit 17 Jahren lief sie für Oberaußem-Fortuna in der Zweiten Liga auf. Ihr Weg schien nur eine Richtung zu kennen, bis ein Jahr später eine schwere Knieverletzung jäh den Höhenflug stoppte. Zwar kämpfte sie um eine Fortsetzung der Spielerlaufbahn, doch intensive Belastung war ohne Schmerzen nicht mehr möglich.

Dem Frust über das frühe Ende der Zeit als Spielerin folgte die Lust am Neustart. 2011 hatte Duske bei der Frauen-Weltmeisterschaft am Spielort Leverkusen als Volunteer neue Kontakte geknüpft. „Und unter diesen Leuten waren einige Schiedsrichter, die begeistert von ihren Erlebnissen berichteten“, erklärt sie. Die Neugier war geweckt. Es folgte der erste Lehrgang und schließlich stand die Premiere auf dem Platz an. „Natürlich war ich vorher etwas aufgeregt und unsicher“, erinnert sie sich. Und sie war froh, dass ihre damalige Wohnung beinahe ausschließlich von Geschäften umgeben war. „So konnte ich zumindest am Abend zuvor mal die Pfeife ausprobieren, ohne die Anwohner zu nerven“, sagt sie. Ihr erster Einsatz beim B-Junioren-Spiel zwischen Grün-Weiß Nippes und der DJK Südwest Köln wird ihr ebenfalls in Erinnerung bleiben. Sie weiß noch heute genau, wie es sich anfühlte, das Spiel auf einmal aus einer ganz anderen Warte zu begleiten. Alles war ungewohnt und sie hatte eine gehörige Portion Unsicherheit im Bauch. Doch diese Gefühle wichen dem Drang, sich durchzusetzen. Duske wurde souveräner, sicherer und besser. Die Folge war ein steiler Aufstieg. Inzwischen ist die Juristin bei 80 Partien pro Saison quer durch die Republik im Einsatz – und seit kurzer Zeit leitet sie eben auch Begegnungen der 1. Frauen-Bundesliga. Es kommt also nicht von ungefähr, dass die 30-Jährige eines der Gesichter der FVM-Kampagne „Mach mit! Werde Schiri!“ ist, die für ein Engagement als Schiedsrichter begeistern will.

Bei Katharina Gerhard war es so ein Aufruf, der verfing. Sie war 14, als sie bei der Frauen-WM im eigenen Land einen Clip sah, der ihr Interesse an der Schiedsrichter-Tätigkeit weckte. Und sie war schnell Feuer und Flamme für den Job an der Pfeife. „Die ersten Spiele habe ich an der Seite eines Schiedsrichter- Paten erlebt. Das hat den Einstieg erleichtert“, sagt sie. Inzwischen ist die Bonnerin trotz ihrer 19 Jahre selbst beinahe so etwas wie ein alter Hase. Sie leitet nun Spiele in der 2. Frauen-Bundesliga. „Man wird einfach mit jedem Einsatz etwas besser“, sagt sie. Doch Disziplin, körperliche Fitness und ein kritischer Umgang mit der eigenen Leistung seien dabei unverzichtbar.

Dazu gehört bei ihr auch der Austausch mit ihrem Freund, der genau wie Duskes Partner ebenfalls als Unparteiischer aktiv ist. „Wir sind aber nicht immer einer Meinung“, sagt die 19-jährige Jurastudentin, die zudem im Bonner Kreisschiedsrichterausschuss tätig ist. Dort engagiert sie sich zudem in der Nachwuchsarbeit. „Die Arbeit mit Jugendlichen macht unheimlich viel Spaß“, sagt sie. „Man kann so viel weitergeben. Denn als Schiedsrichter lernt man, mit seinem Gespann im Team zu arbeiten, schnell zu reagieren, ein souveränes Auftreten und einen entspannten Umgang mit Kritik“, erklärt die Bonnerin. Doch sie verschweigt auch nicht, dass es schon einmal Skepsis hervorruft, wenn man als Frau zur Spielleitung erscheint. „Aber darauf reagiere ich inzwischen sehr entspannt, denn oft genug sind nach dem Abpfiff Spieler oder Trainer zu mir gekommen und haben meine Leistung gelobt.“ Manchmal berge ihr Geschlecht sogar Vorteile, meint sie. „Ich glaube, Männer haben Schiedsrichterinnen gegenüber eine höhere Hemmschwelle, wenn es um die Offenbarung negativer Emotionen geht“, sagt Gerhard.

Laura Duske hat ähnliche Erfahrungen gemacht und dabei erlebt, wie sehr ihr die Tätigkeit als Schiedsrichterin hilft, als Persönlichkeit zu reifen. „Davon profitiert man sicherlich nicht nur auf dem Fußballplatz“, meint sie. Damit spricht sie Hannah Riederer aus dem Herzen. Man lerne Durchsetzungsstärke, sagt die 17-Jährige. „Das hilft in der Schule und bestimmt auch im Beruf“, meint die Waldbrölerin, die im kommenden Jahr ihr Abitur machen wird.

Doch in erster Linie geht es allen dreien natürlich um das Hier und Jetzt. Die Erlebnisse, die Fahrten, die Begegnungen mit anderen Menschen, kurzum die Freude am Fußball und an der Rolle der Schiedsrichterin. „Ich verfolge bei meiner Laufbahn als Unparteiische ja auch keinen festen Plan. Ich will erstmal in der Ersten Liga ankommen und mich kontinuierlich verbessern“, sagt auch Duske. Das geht Riederer und Gerhard nicht anders. Sie alle wollen die künftigen Herausforderungen in den höheren Ligen konzentriert, aber nicht verbissen angehen. Bislang ist das den dreien nachweislich gelungen. Gut möglich also, dass das Trio irgendwann weitere gute Nachrichten erhält. Wo, wie und wann ist eigentlich egal.

Foto: Das FVM-Trio auf Bundesebene (v.l.): Katharina Gerhard, Laura Duske, Hannah Riederer

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